Die Börsen haben seit Trumps Drohung „höllenmäßiger Zölle“ gegenüber China deutlich nachgegeben. Statt Aktien sind wegen der Verschärfung des Handelsstreits sichere Staatsanleihen gefragt, deren Renditen auf Rekordtiefs sinken. In Amerika brachten langfristige Staatstitel am Mittwoch erstmals seit langer Zeit eine schlechtere effektive Verzinsung als kurzfristige. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Investoren keine kurzfristigen Anlagemöglichkeiten mehr sehen und ihr Geld daher besonders langfristig parken wollen, um auf bessere Zeiten zu warten.
Normalerweise bringen Anleihen mit langer Laufzeit höhere Renditen. Die Umkehrung dieser Verhältnisse – Finanzprofis sprechen von einer inversen Zinsstruktur – war in der Vergangenheit bereits Vorbote großer Krisen. Stehen die Märkte auch jetzt vor einem großen Einbruch? Und wie sollten Anleger sich in dieser Situation verhalten?
Angesichts des wachsenden Protektionismus und internationaler Spannungen wie in Iran oder Hongkong scheint die Flucht aus exportorientierten und konjunkturempfindlichen Industrieunternehmen sinnvoll. Stattdessen sieht die Anlage in krisenresistente Versorger und Konsumgüterhersteller verlockend aus. Doch macht ein Umbau des Depots wirklich Sinn?
Heißer Herbst
Vermögensverwalter rechnen mit weiteren Turbulenzen an den Börsen, doch „an einen Schock wie nach der Lehman-Pleite 2008 glauben wir nicht“, sagt Christian Kahler, Chefanlagestratege der DZ Bank. Auch aus Sicht von Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers ist panisches Umschichten nicht angebracht, obwohl ein „heißer Herbst“ an der Börse bevorstehe. „Ich würde jetzt etwas Risiko herausnehmen, wenn ich ein riskantes Depot hätte“, sagt Greil.
Die Privatbank führe in ihrer Vermögensverwaltung für ihre Kunden ohnehin vorwiegend substanzstarke Aktien, die oft ansehnliche Dividenden ausschütten und niedrige Schulden haben. Merck Finck betreut etwa 4000 Familienverbünde und verwaltet Vermögen im Wert von 10 Milliarden Euro.
Für die Branchenmischung hat Greil auch in das ein oder andere durch den Handelsstreit betroffene exportstarke Unternehmen angelegt, was auch so bleibe. Nach wie vor setzt er weniger auf konjunkturempfindliche Industrieunternehmen und vorwiegend auf defensive Aktien aus der Pharma-, Lebensmittel- oder Immobilienbranche. „Auch dem Investment in chinesische und asiatische Technologieunternehmen bleiben wir treu, obwohl wir in China für 2020 ein geringeres Wachstum von nur 5,5 Prozent erwarten“, sagt der Anlagestratege.
Die Serie schlechter Nachrichten für die Konjunktur und Finanzmärkte wird nach Greils Erwartung andauern. Neben der Verschärfung des Handelsstreits zwischen den Vereinigten Staaten und China komme die Regierungskrise in Italien hinzu. Beides war in den bisherigen Umfragen bei Unternehmen und Konsumenten noch nicht enthalten und dürfte daher im August die Stimmung weiter drücken.
Im Herbst wird zusätzlich die Gefahr eines ungeregelten Brexits stärker ins Blickfeld rücken sowie Handelsspannungen zwischen Amerika und der Europäischen Union. „Uns steht ein heißer Börsenherbst bevor“, sagt Greil. Anlegern mit 100.000 Euro auf der hohen Kante empfiehlt er folgende breite Aufteilung des Vermögens: 47 Prozent Aktien, 35 Prozent Anleihen, 13 Prozent Immobilien und Gold, sowie 5 Prozent liquide Mittel.
Angesichts der Unsicherheit könnten die Binnenwirtschaft und Immobilien einen Ausweg für Anleger eröffnen. „In diesem Umfeld sind besonders inländische Unternehmen im Dienstleistungssektor interessant“, sagt Stephen Jones, Anlageexperte bei der auf britische Kunden spezialisierten Vermögensverwaltung Kames Capital. Denn während globale Wirtschaftsindikatoren eine verhaltene Position gegenüber dem verarbeitenden Gewerbe anzeigten, sehe der Dienstleistungssektor robust aus. Er profitiere von den niedrigen Zinsen und baue Arbeitsplätze auf.
Auch die Immobilienbranche profitiert laut Jones von der Suche nach Rendite, die sich aufgrund der negativen risikolosen Zinsen verstärken dürfte. Der Immobilienmarkt sei zwar nicht immun gegen wirtschaftliche Abwärtsbewegungen, doch bleibe Investoren nicht viel anderes übrig.
Sparpläne laufen lassen
Aus Sicht von Anlagestratege Kahler von der DZ Bank ist der Zug für Umschichtung allerdings abgefahren. So seien Aktien von Maschinenbauern bereits bis zu 60 Prozent im Minus. „Wer noch nicht in krisenresistente Werte wie Nestlé oder Coca Cola investiert hat, kommt jetzt zu spät“, so Kahler. Besser sei es, den Sturm auszuhalten und vor allem bestehende Sparpläne auf Aktien oder Aktienfonds weiter laufen zu lassen.
Kahler empfiehlt Anlegern, 20 bis 30 Prozent Liquidität zu halten, um auf Einbrüche an den Aktienmärkten reagieren zu können. „An den Aktienmärkten wird noch mehr passieren“, erwartet der Experte. Selbst in normalen Jahren verliere der Dax bis zu 15 Prozent – gemessen daran seien die bisherigen Rückgänge überschaubar. Einen Einbruch sollten Anleger nutzen, um günstig einzusteigen.